Montag, 7. Juli 2014

Fabers Sicht auf die Natur - Der Wandel Fabers

Eine zentrale Thematik, die im Roman „Homo Faber“ von Max Frisch behandelt wird, ist der Gegensatz von Natur und Technik. Dieser wird bereits deutlich, wenn man den Titel des Buches eingehender betrachtet. „Homo“, der lateinische Ausdruck für Mensch wird oftmals in der Anthropologie verwendet, um den Menschen als Gruppe/ Rasse zu definieren, die in der Natur beheimatet ist. Mit dem Begriff „Natur“ assoziiert man Unkontrollierbares, Nicht vom Menschen Geschaffenes. „Faber“ wiederum bedeutet so etwas wie „schaffend“ oder „ der Handwerker“. Der Titel soll also einen Menschen präsentieren, der sich als aktiver Veränderer seiner Umwelt auszeichnet. Zusätzlich verweist der Untertitel „Bericht“ darauf, dass die Ereignisse aus dem Leben Fabers in chronologischer, nüchterner und sachlicher Art und Weise verfasst werden sollen.

Die Sichtweise Walter Fabers auf die Natur wird im Folgenden an zwei beispielhaften Szenen betrachtet. Anhand dieser Sichtweise soll zudem der Wandel Fabers präsentiert werden. Die erste Szene mit der wir uns beschäftigt haben, ist die Notlandung des Flugzeuges in der Wüste von Tamaulipas. Da diese Notlandung lediglich geschieht, weil zwei Motoren der Maschine ausfallen, erwartet man dass sich Faber darüber Gedanken mache, wie es zu dem Versagen der Technik kommen konnte. Jedoch lässt er die Durchsage des Kapitäns unkommentiert und betrachtet die Landschaft unter ihm. Hier fällt auf, dass er alle Naturphänomene versucht, mit technischen Begriffen zu beschreiben („glitzerte es wie Lametta beziehungsweise wie Stanniol“, S.19). Bereits bei dieser Naturbeschreibung wird deutlich, dass Fabers Beschreibungsversuche mit technischen Begriffen versagen. Um die Farbe der Sümpfe zu beschreiben, benötigt er Vergleiche mit dem Rot eines Lippenstiftes (S.19), das Glitzern der Sonne vergleicht er sogar mit den Augen Ivys. Fabers Denkweise alles nüchtern und sachlich zu sehen und in der Natur nichts Poetisches oder Mythologisches finden zu können, wird folglich bereits zu Beginn des Romans in Frage gestellt. Man erkennt sehrwohl eine gewisse Faszination bzw. Wertschätzung der Natur, die Faber jedoch zu verdrängen versucht. Besonders deutlich wird dieses Verhalten in der Wüste von Tamaulipas. Er kann nicht begreifen, wie Menschen Natur als Erlebnis wahrnehmen können („Ich habe mich schon oft gefragt, was die Leute eigentlich meinen, wenn sie von Erlebnis reden. Ich bin Techniker und gewohnt die Dinge zu sehen, wie sie sind.“, Seite 25). Faber beschreibt alle Naturphänomene um sich rum sowie die Assoziationen und Bilder, die andere Menschen mit diesen Erlebnissen verbinden. Selbst negiert er jedoch diese Sichtweise. Allein dass er diese Mystik in der Natur erkennt („versteinerte Engel“, „Gespenster“, „Totenreich“ „abgestorbener Vogel“, S.26), zeigt jedoch dass er die Dinge ebenfalls so sieht wie andere Menschen, diese Erlebnisse jedoch nicht zulassen will („Ich sehe auch keine versteinerten Engel, es tut mir leid; auch keine Dämonen, ich sehe, was ich sehe: die üblichen Formen der Erosion.“, S.26).

Besonders zu schaffen, macht Faber der fehlende Strom, da er keine Möglichkeit besitzt, sich zu rasieren. Er „[hat] dann das Gefühl, [er werde] etwas wie eine Pflanze“ (S.29), da ihm die Kontrolle über seinen Bartwuchs entzogen ist. Der Vergleich mit einer Pflanze verdeutlicht erneut Fabers Ekel vor der Natur und sein Missfallen, wenn der Mensch nicht über diese herrschen kann. Man kann sogar sagen, dass es Faber Angst macht, wenn die Natur in gewissen Momenten Überhand über die Technik nimmt. Eine weitere Besonderheit in Fabers Naturbetrachtung ist die ständige Nutzung seiner Kamera („und nahm sofort die Kamera“, S.24) Alle Eindrücke, die er in der Wüste vor sich sieht, hält Faber mit seiner Kamera fest. Somit lässt er der Natur keine Möglichkeit auf ihn zu wirken, sondern betrachtet diese meist nur durch ein technisches Gerät.

Die nächste näher betrachtete Szene ist Fabers Aufenthalt in Cuba nach dem Tod Sabeths. Auffallend hierbei ist zunächst, dass er diesen Umweg nur macht, um nicht über New York fliegen zu müssen. Er distanziert sich von seinem im ganzen Roman verkörperten „American Way of Life“ und hegt sogar Gefühle des Abscheus gegenüber Amerika. („Mein Zorn auf Amerika!“ „dieses Coca-Cola-Volk, das ich nicht mehr ausstehen kann.“, S. 190 oder „ihre Städte, die keine sind, Illumination, am anderen Morgen sieht man die leeren Gerüste, Klimbim, infantil“, S.192). Zudem ist er nicht mehr der von sich selbst überzeugte Techniker, sondern beginnt an seinem Lebensstil zu zweifeln und fragt sich, was wäre „wenn man nochmals leben könnte“ (S.191) Ihn beschäftigen die Ereignisse der letzten Wochen, besonders das Kennenlernen Sabeths, deren Unfall und letztendlich deren Tod. Andererseits versucht er jedoch sein Leben zu genießen und die negativen Gedanken an einer möglichen Schuld am Tod zu verdrängen.

Bezüglich Fabers geänderter Sichtweise auf die Natur  kann man feststellen, dass Faber in Cuba versucht, die Technik weitesgehend aus seinem Alltag zu entfernen. Das Rasieren beispielsweise, dessen Fehlen Faber in der Wüste regelrecht nervös gemacht hat, da er dadurch die Kontrolle über sich verloren hat, wird auf dieser Reise gar nicht erwähnt. Zum anderen hat er das Filmen und Fotografieren aufgegeben. Er spricht sogar von der Sinnlosigkeit des Filmens, wo er vorher doch so begeistert von war („Hanna hat Recht: Nachher muss man es sich als Film ansehen, wenn es nicht mehr da ist, und es vergeht ja doch alles“, S.198). Faber möchte nun die Natur bewusst erleben. Dieser Zugang gelingt ihm jedoch nicht vollständig. So benötigt er noch immer Vergleiche mit der Technik, um die Natur erleben zu können („Licht der Blitze; nachher ist man wie blind, einen Augenblick lang hat man gesehen: die schwefelgrüne Palme im Sturm, Wolken, violett mit der bläulichen Schweißbrenner-Glut [..]“, S. 190). Faber begegnet der Natur nun wesentlich aufgeschlossener und versucht ein Teil dieser zu werden. In wenigen Situationen gelingt ihm dies sogar.

Auch seinen Mitmenschen gegenüber begegnet Faber wesentlich offener. Vorallem anderen Rassen gegenüber ändert er seine Sichtweise sehr deutlich. Er findet eine dunkelhäutige Spanierin schön (S.187 f.), wogegen er auf seiner Reise zu der Plantage in Guatemala noch Aussagen wie „ihr Riesenmaul, ihr Kruselhaar“, (S.12) tätigte. Die Bekanntschaft mit Juana zeigt Fabers Wandel auf: er offenbart ihr seine Lebensgeschichte und spricht mit ihr über Begriffe wie Todsünde (S.195). Man erkennt eine Schuldeingestehung Fabers. Zu Beginn des Romans wäre Faber einer fremden Person gegenüber niemals so offen gegenübergetreten und hätte Dinge thematisiert, die außerhalb des Bereiches Technik liegen.

Zum Ende seiner Reise wird sich Faber bewusst, dass er seinen eigenen Lebensstil missachtet, aber trotzdem nicht die Möglichkeit hat sich von diesem vollständig zu lösen. Er bezeichnet sich als „Leiche im Corso der Lebenden“ (S.193)

Quellen:
Max Frisch, Homo Faber. Ein Bericht: Suhrkamp Verlag, Erste Auflage , Text und Kommentar

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