Die Sichtweise Walter Fabers auf
die Natur wird im Folgenden an zwei beispielhaften Szenen betrachtet. Anhand
dieser Sichtweise soll zudem der Wandel Fabers präsentiert werden. Die erste
Szene mit der wir uns beschäftigt haben, ist die Notlandung des Flugzeuges in
der Wüste von Tamaulipas. Da diese Notlandung lediglich geschieht, weil zwei
Motoren der Maschine ausfallen, erwartet man dass sich Faber darüber Gedanken
mache, wie es zu dem Versagen der Technik kommen konnte. Jedoch lässt er die
Durchsage des Kapitäns unkommentiert und betrachtet die Landschaft unter ihm.
Hier fällt auf, dass er alle Naturphänomene versucht, mit technischen Begriffen
zu beschreiben („glitzerte es wie Lametta beziehungsweise wie Stanniol“, S.19).
Bereits bei dieser Naturbeschreibung wird deutlich, dass Fabers
Beschreibungsversuche mit technischen Begriffen versagen. Um die Farbe der
Sümpfe zu beschreiben, benötigt er Vergleiche mit dem Rot eines Lippenstiftes
(S.19), das Glitzern der Sonne vergleicht er sogar mit den Augen Ivys. Fabers
Denkweise alles nüchtern und sachlich zu sehen und in der Natur nichts
Poetisches oder Mythologisches finden zu können, wird folglich bereits zu
Beginn des Romans in Frage gestellt. Man erkennt sehrwohl eine gewisse
Faszination bzw. Wertschätzung der Natur, die Faber jedoch zu verdrängen
versucht. Besonders deutlich wird dieses Verhalten in der Wüste von Tamaulipas.
Er kann nicht begreifen, wie Menschen Natur als Erlebnis wahrnehmen können
(„Ich habe mich schon oft gefragt, was die Leute eigentlich meinen, wenn sie
von Erlebnis reden. Ich bin Techniker und gewohnt die Dinge zu sehen, wie sie
sind.“, Seite 25). Faber beschreibt alle Naturphänomene um sich rum sowie die
Assoziationen und Bilder, die andere Menschen mit diesen Erlebnissen verbinden.
Selbst negiert er jedoch diese Sichtweise. Allein dass er diese Mystik in der
Natur erkennt („versteinerte Engel“, „Gespenster“, „Totenreich“ „abgestorbener
Vogel“, S.26), zeigt jedoch dass er die Dinge ebenfalls so sieht wie andere
Menschen, diese Erlebnisse jedoch nicht zulassen will („Ich sehe auch keine
versteinerten Engel, es tut mir leid; auch keine Dämonen, ich sehe, was ich
sehe: die üblichen Formen der Erosion.“, S.26).
Besonders zu schaffen, macht
Faber der fehlende Strom, da er keine Möglichkeit besitzt, sich zu rasieren. Er
„[hat] dann das Gefühl, [er werde] etwas wie eine Pflanze“ (S.29), da ihm die
Kontrolle über seinen Bartwuchs entzogen ist. Der Vergleich mit einer Pflanze
verdeutlicht erneut Fabers Ekel vor der Natur und sein Missfallen, wenn der
Mensch nicht über diese herrschen kann. Man kann sogar sagen, dass es Faber
Angst macht, wenn die Natur in gewissen Momenten Überhand über die Technik
nimmt. Eine weitere Besonderheit in Fabers Naturbetrachtung ist die ständige
Nutzung seiner Kamera („und nahm sofort die Kamera“, S.24) Alle Eindrücke, die
er in der Wüste vor sich sieht, hält Faber mit seiner Kamera fest. Somit lässt
er der Natur keine Möglichkeit auf ihn zu wirken, sondern betrachtet diese
meist nur durch ein technisches Gerät.
Die nächste näher betrachtete
Szene ist Fabers Aufenthalt in Cuba nach dem Tod Sabeths. Auffallend hierbei
ist zunächst, dass er diesen Umweg nur macht, um nicht über New York fliegen zu
müssen. Er distanziert sich von seinem im ganzen Roman verkörperten „American
Way of Life“ und hegt sogar Gefühle des Abscheus gegenüber Amerika. („Mein Zorn
auf Amerika!“ „dieses Coca-Cola-Volk, das ich nicht mehr ausstehen kann.“, S.
190 oder „ihre Städte, die keine sind, Illumination, am anderen Morgen sieht
man die leeren Gerüste, Klimbim, infantil“, S.192). Zudem ist er nicht mehr der
von sich selbst überzeugte Techniker, sondern beginnt an seinem Lebensstil zu
zweifeln und fragt sich, was wäre „wenn man nochmals leben könnte“ (S.191) Ihn
beschäftigen die Ereignisse der letzten Wochen, besonders das Kennenlernen
Sabeths, deren Unfall und letztendlich deren Tod. Andererseits versucht er
jedoch sein Leben zu genießen und die negativen Gedanken an einer möglichen
Schuld am Tod zu verdrängen.
Bezüglich Fabers geänderter
Sichtweise auf die Natur kann man
feststellen, dass Faber in Cuba versucht, die Technik weitesgehend aus seinem
Alltag zu entfernen. Das Rasieren beispielsweise, dessen Fehlen Faber in der
Wüste regelrecht nervös gemacht hat, da er dadurch die Kontrolle über sich
verloren hat, wird auf dieser Reise gar nicht erwähnt. Zum anderen hat er das
Filmen und Fotografieren aufgegeben. Er spricht sogar von der Sinnlosigkeit des
Filmens, wo er vorher doch so begeistert von war („Hanna hat Recht: Nachher
muss man es sich als Film ansehen, wenn es nicht mehr da ist, und es vergeht ja
doch alles“, S.198). Faber möchte nun die Natur bewusst erleben. Dieser Zugang
gelingt ihm jedoch nicht vollständig. So benötigt er noch immer Vergleiche mit
der Technik, um die Natur erleben zu können („Licht der Blitze; nachher ist man
wie blind, einen Augenblick lang hat man gesehen: die schwefelgrüne Palme im
Sturm, Wolken, violett mit der bläulichen Schweißbrenner-Glut [..]“, S. 190).
Faber begegnet der Natur nun wesentlich aufgeschlossener und versucht ein Teil
dieser zu werden. In wenigen Situationen gelingt ihm dies sogar.
Auch seinen Mitmenschen gegenüber
begegnet Faber wesentlich offener. Vorallem anderen Rassen gegenüber ändert er
seine Sichtweise sehr deutlich. Er findet eine dunkelhäutige Spanierin schön
(S.187 f.), wogegen er auf seiner Reise zu der Plantage in Guatemala noch
Aussagen wie „ihr Riesenmaul, ihr Kruselhaar“, (S.12) tätigte. Die
Bekanntschaft mit Juana zeigt Fabers Wandel auf: er offenbart ihr seine
Lebensgeschichte und spricht mit ihr über Begriffe wie Todsünde (S.195). Man
erkennt eine Schuldeingestehung Fabers. Zu Beginn des Romans wäre Faber einer
fremden Person gegenüber niemals so offen gegenübergetreten und hätte Dinge
thematisiert, die außerhalb des Bereiches Technik liegen.
Zum Ende seiner Reise wird sich
Faber bewusst, dass er seinen eigenen Lebensstil missachtet, aber trotzdem
nicht die Möglichkeit hat sich von diesem vollständig zu lösen. Er bezeichnet
sich als „Leiche im Corso der Lebenden“ (S.193)
Quellen:
Max Frisch, Homo Faber. Ein
Bericht: Suhrkamp Verlag, Erste Auflage , Text und Kommentar
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